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1. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 594

1859 - Lübeck : Rohden
594 Xxv. §. 7. Die französische Revolution. tue blutbefleckten Hände aus; und wenig Wochen später mußte er vor den kannibalischen Blutbanden mit seiner ganzen Familie aus dem Schlosse flüchten, wohin? —zu seinen schlimmsten Feinden, zu der Na- tionalversammlung, oder wie sie sich später nannte, dem Nationalcon- vent, der ihn jetzt eben für abgesetzt und seiner Krone verlustig erklärte und ihn mit Weib und Kindern in's Gefängniß warf. Aber jetzt, da es bis zum Aeußersten gekommen ist, wendet sich unser Gemüth zum tiefsten und gerechtesten Mitleiden mit dem unglück- lichen, mißleiteten Monarchen. Ist er klein, schwach und erbärmlich gewesen im Handeln, so ist er groß und königlich im Leiden. Schon lange hatte er'sich auf einen gewaltsamen Tod gefaßt gemacht. Und seit er das gethan, hatte er auch die Ruhe, die Klarheit, die Festigkeit des Herzens wieder gewonnen. Aendern, retten, wiederherstellen konnte er nichts mehr. Aber sein Gewissen noch ferner beschweren, dazu konnte ihn nichts mehr bringen. Den Anlaß zu dem letzten Aufruhr, der seine Absetzung zur Folge hatte, gab er durch seine entschiedene Wei- gerung, das ungerechte Gesetz gegen die getreuen französischen Priester zu bestätigen. Nichts konnte ihn bewegen, an seiner Kirche, seinem Gott zu freveln. In Gefängniß und Todesnoth schrie er brünstig zu seinem Herrn und Erlöser, aber mit demüthiger Unterwerfung unter seine gewaltige Hand. Mit christlicher Würde und Ergebung erlitt er am 21. Januar 1793 den Tod auf dem Schaffet. Der Bann- fluch dieses ungeheuren Frevels lastet noch heute ungesühnt auf dem königsmörderischen Volk, so sehr auch die äußeren Umstände sich ge- ändert haben. Seine Hinrichtung war das Signal zur weitern massen- haften Hinrichtung vieler Tausende und Zehntausende, bis endlich das erschöpfte Frankreich, des unablässigen Blutvergießens müde, sich selber nach einer Aenderung sehnte, und eine neue Ordnung der Dinge begann. Waö sie eigentlich wollten, zu welchem Ziel sie strebten, das wußten im Beginn der Revolution wohl die Wenigsten unter ihren Führern, wenn es überhaupt einer wußte. Nur etwas Anderes, etwas Besseres als sie jetzt hatten, eine Aenderung der unerträglichen Zustände, und zwar ohne doch sich selber, die eignen Herzen zu verändern. Wie die bessere Staatsfvriu ’tefdjaffen sein müsse, ob beschränkte (constitu- tionelle) Monarchie oder Republik, das lag ihnen anfangs noch ganz im Dunkeln. Nur daß die Aufrichtung der nordamerikanischen Republik (S. 591) und die dort ausgestellten Artikel der sogenannten allgemeinen Menschenrechte den meisten Führern der Bewegung, besonders de- nen, die im Befreiungskriege selber mitgefochten hatten, als Muster und leitende Grundsätze bewußt oder unbewußt vor der Seele schweben

2. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 638

1859 - Lübeck : Rohden
638 Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze. den Gesetze vorher zu berathen und gutzuheißen. Die Kammern dursten die Minister in Anklagestand versetzen, und welche Minister „das Vertrauen der Kammer verloren hatten", mußten abtreten. Mit dieser Charte war Ludwig Xviii. bei seiner Wiedereinsetzung dem französischen Volke 1813 entgegengekommen. Aber wie hatte er diesen gährenden Vulcan durch dergleichen Verfassungsformen beruhigen kön- nen? Und hätte er auch noch größere Rechte dem Volke eingeräumt, niemals würde doch die republikanische, die revolutionäre Partei (die linke Seite der Kammer) sich zufrieden erklärt haben. Und hätte er auch die alten Stände in alle ihre Rechte eingesetzt und nach Mög- lichkeit den Glanz und die Formen des alten Königshofes wieder her- gestellt, so würde er den Verdruß der königlich gesinnten Partei (rechte Seite der Kammern) über die Verluste, die sie während der Revolu- tion erlitten, und ihren Haß gegen die Anhänger Rapoleon's nie beschwichtigt haben. Nur Buße, gründliche Buße für alle Schanden und Thorheiten, Verbrechen und Laster seit 50 und mehr Jahren hätte Frankreich wieder in die rechten Geleise zurückführen können, und die wollte es nicht thun und wird es nicht thun. Elend schwankte es hin zwischen Opposition links und Opposition rechts, berufenen und wie- der aufgelösten Kammern, neu eintretenden und wieder zurücktretenden Ministerien, Ausnahmegesetzen und Verschwörungen. Da war an keine Beruhigung der Parteien zu denken, denn das heillose Princip der Regierung blieb stets dasselbe, daß die obrigkeitliche Gewalt, wenn nicht vom Volk ausgehe, doch mit dem Volke zu theilen sei. Diese jämmerlich haltlose Regierungsform, dies Zweikammersystem mit beständigem Minifterwechsel und Gesetzgebung durch zufällige Mehr- heit oder Minderheit Einer Stimme galt nun sämmtlichen Liberalen in allen Ländern des europäischen Continents als das höchste politi- sche Gut und erstrebungswürdigste Ziel. Denn leider waren durch den langen Verkehr mit französischen Heeren und Ideen Massen von Li- beralen unter allen Völkern zu finden, in Italien und Spanien, in Dänemark und Rußland, in allen Ländern, die unter absoluter Kö- nigsherrschaft gestanden hatten. In Rußland freilich sah Kaiser Alexander und noch mehr sein nüchterner und pflichtgetreuer Nachfolger Nico laus (1825—55) sehr bald, daß die französi- schen Ideen nur eine heillose Verwirrung der Gemüther und ruch- lose Thaten zur Folge hätten, und kam schnell davon zurück. So auch in Oestreich. Dagegen Spanien und Portugal, die italie- nischen Staaten, endlich auch Griechenland, das sich von der türkischen Herrschaft losriß und 1822 zu einer Republik, 1832 zu

3. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 639

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze. 639 einem Königreich gestaltete, nahmen alle das französische Kammersy- stem an, wiewohl es den Völkern paßt, wie ein Narrenanzug einem ehrbaren Mann. Da gab eö denn nun in allen diesen Ländern Zän- kereien und Empörungsversuche und Regierungswechsel und Militär- revoltrn und Verschwörungen und Unruhen aller Art, so daß bald hier, bald dort die Herrscher der heiligen Allianz zu einem Congreß zusammentreten, bald da, bald hier ihre Heere einrücken lassen mußten, um dem Unwesen zu steuern; jetzt in Neapel, jetzt in Piemont, jetzt in Spanien, dann in Portugal, und nimmer wollte doch das unru- hige Wesen aufhören und hat noch heute nicht aufgehört, außer wo man diese ganze französische Weisheit über Bord geworfen hat. Dasselbe Verfassungselend verpflanzte sich also auch nach Deutschland. Ueberall drangen die Liberalen in den bisherigen Rheinbundstaa- ten auf französische Charte und in den meisten bekamen sie auch ihren Willen, wiewohl ein wenig von der französischen Liberalität abge- dingt wurde. Am vollständigsten wurde Baden mit einer parlamen- tarischen Volksvertretung beglückt, und hat auch 1848 die Folgen die- ses Glückes am empsindlichsten zu tragen gehabt. Dagegen schlug die preußische Regierung einen andern, besonnenen und vorsichtigen Weg ein. Sie suchte zuerst in den verschiedenen Provinzen des Staats die erloschenen Provinzialstände wieder zu erwecken oder neu zu begründen (seit 1823) und wollte, wenn diese sich erst in ihre Auf- gabe gefunden und eingelebt hätten, sie zu einem allgemeinen Landtage vereinigen. Aber da die liberale Partei sich alle Tage lauter und hartnäckiger erhob, alle Zeitungen in Beschlag nahm, Flugschriften über Flugschriften unter das Volk ftreuete, und jede Gelegenheit zu liberalen Reden und Kundgebungen benutzte, da bei den ständischen Regierungen eben so wele Mängel und Gebrechen klärlich hervortra- ten, wie bei der französischen Verfassung, so zögerte der besonnene König lange und immer länger mit der Zusammenberufung eines all- gemeinen Landtags, bis das Jahr 1830 hereinbrach und eö ihm vol- lends unmöglich machte. In diesem Jahre nämlich nahm in Frank- reich der Kampf des Königs Karl X. (Bruder und Nachfolger- Ludwig's Xv1h. seit 1824) gegen die Hartnäckigkeit und Wider- spenstigkeit der Kammern ein jämmerliches Ende. Vergebens hatte er das ruhmsüchtige Volk durch die Eroberung des Seeräuberftaa- tes Algier von den inneren Angelegenheiten abzulenken gesucht. Die Ordonnanzen, durch welche er im Juli 1830 die eben gewählte unfügsame Kammer auflöfte, ein neues Wahlgesetz erließ und die Eensur wieder einführte, veranlaßten einen Aufstand, und ein drei-

4. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 640

1859 - Lübeck : Rohden
640 Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze. tägiger Barricadenkampf in Paris endigte mit der Versagung der kö- niglichen Familie aus Frankreich und mit der Erhebung des „Bür- gerkönigs" Louis Philipp aus der Seitenlinie der Orleans auf den neubefleckten und geschwächten Thron. Wie ein zündender Funke fiel diese französische Julirevolution in den überall aufgehäuften Zun- der der „liberalen" Mißstimmung. Belgien riß sich von Holland los und wurde unter Zustimmung der Großmächte zu einem besondern Königreich mit französischer Verfassung erhoben. Polen versuchte seine verlorene Unabhängigkeit wieder zu gewinnen, wurde aber nach zweijährigem harten Kampf durch die russischen Heere überwältigt. In Spanien und Portugal brachen neue verheerende Bürgerkriege aus. In Italien konnte der Geist der Empörung nur durch den Einmarsch östreichischer Truppen gedämpft werden. Die Schweiz war von Hader und Spaltungen erfüllt, und ward durch Aufnahme einer Masse politischer Flüchtlinge, besonders Polen, der Mutterschooß fortwährender Unruhen und Revolutionsversuche in sämmtlichen Nach- barstaaten. Selbst in England regten sich aufständische Versuche und eine Reform des Parlaments nach französischen Principien ward durch- gcsetzt. Wie hätten die deutschen Länder davon unberührt bleiben sollen? Unmittelbar nach der französischen Julirevolution brach in Braun schweig ein Aufruhr aus, der Fürst des Landes ward ver- jagt, sein Bruder mußte eine liberale Verfassung bewilligen. Die Fürsten von Hessen-Cassel und Sachsen wurden gezwungen, ihre Herrscherrechte mit Mitregenten zu theilen und gleichfalls liberale Ver- fassungen anzunehmen. Aehnlich ging es mit Hannover, welches damals noch mit England verbunden war (1837 nach dem Tode Wil- helm's Iv. von England bekam Hannover wieder seinen eignen König, Ernst August, und die liberale Verfassung ward etwas ein- geschränkt). Die Partei der Liberalsten aber im südlichen Deutsch- land, die linke Seite in den Kammern, und Alles, was von unruhigen Geistern und politisch überspannten oder sittlich verkommenen Menschen sich zu ihnen hielt, suchten die revolutionären Bewegungen noch ganz anders in ihrem Sinne auszubeuten. Sie wollten ganz Deutschland zu einer großen „untheilbaren Republik" machen, und alle Nachbar- staaten desgleichen. Auf dem sogenannten Hambach er fest (1832), wo 30,000 solcher verwirrter und thörichter Köpfe beisammen waren, ward dieser Plan öffentlich verkündigt, und zu Frankfurt sollte durch Zersprengung der Bundesversammlung mit der Ausführung begonnen werden. Aber das ganze Unternehmen scheiterte in kläglicher Weise und strenge Verordnungen und Maßregeln der Regierungen gegen die

5. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 641

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 11. Entwicklung neuer Gegensätze. 641 Unruhestifter in den Zeitungen und in den Kammern brachten bald Alles wieder zur Ruhe. Aber nur äußerlich. Im Innern der Ge- müther dauerte die Gährung fort und sollte nach einem neuen An- stoß von Frankreich her zu einem furchtbaren Ausbruch führen. Dort hatte sich der König Louis Philipp durch schlaue Benutzung der Umstände achtzehn Jahre auf dem erschlichenen Thron zu erhalten ge- wußt, unter unaufhörlichem Ministerwechsel, Aufständen, Barricaden, Höllenmaschinen, Mordversuchen, unter dem wüthenden Haß der Re- publikaner und Communisten, welche ganz Frankreich mit einem Retz von geheimen Gesellschaften und Verschwörungen bedeckten, unter dem geheimen Groll der Legitimisten, welche das Haus Bourbon, und der Bonapartisten, welche den jungen Louis Napoleon auf den Thron wünschten. Louis Philipp glaubte sich hinlänglich gedeckt, wenn er die Wohlhabenheit der Mittelclassen (besonders zu Paris) zu för- dern suchte. Er schien kein höheres Menschenglück zu kennen, als den Reichthum, und soll sich selbst an Handelsunternehmungen be- theiligt haben. Eine furchtbare Sittenlostgkeit war unter seiner Re- gierung in ganz Frankreich, besonders unter den höheren Ständen offenbar geworden. Die gemeinsten Verbrechen, als Mord und Dieb- stahl wurden von den höchstgestellten Personen, von Herzögen und Grafen verübt. Jedermann sah oder ahnte, daß ein Wechsel, ein Um- schwung erfolgen müsse. Der Herr Gott hatte es dem Könige selbst durch den plötzlichen Tod seines Sohnes und Nachfolgers in's Herz gedonnert (1842). Endlich erging auch über ihn das Gericht, und eine neue Revolution zu den unzähligen anderen Revolutionen schuf Frankreich abermals zu einer Republik um (1848). Es war das das Werk einer über den ganzen Westen und Süden Europa's ver- breiteten republikanischen Partei, welche unter dem Namen junges Italien, junges Frankreich, junges Deutschland, junges Polen, junges Europa die tollsten Hitzköpfe und haltlosesten Vagabunden und ver- kommensten Bösewichter in ihren Reihen vereinigt und 1846 und 1847 schon in Posen , Krakau und Galizien, in der Schweiz, in Rom und dem übrigen Italien ihre empörerischen Unternehmungen begonnen hatte. In Frankreich fand sie trefflich bereiteten Boden. In einem Umsehen, ohne viel Vorbereitung, in wenig Stunden war das hohle und wurzellose Julikönigthum umgestürzt und eine provisorische Re- gierung eingesetzt. Jndeutschland war Baden, zwischen Schweiz und Frankreich eingeklemmt, der trefflichste Stützpunkt. Dort konnte ohne Weiteres die Republik proclamirt werden. In Wien, in Berlin war trefflich vorgearbeitet. Ehe man sich's versah, war die Regie- v. Rohden, Leitfaden. 41

6. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 650

1859 - Lübeck : Rohden
650 Xxv. §. 12. Die Kämpfe der Gegenwart. Ungeschickter auf gleichen Fuß gestellt werden. Doch gingen mit den Nationalwerkstätten keineswegs auch die coinmunistischen Ideen unter. In den verschiedensten Formen tauchten ste in allen Ländern Europa's immer wieder auf. In Deutschland fanden ste ganz befondern Anklang in den freien Gemeinden und bei den Lichtfreunden, in der Schweiz wurden sie in allen Wirthshänfern offen gepredigt. Wohl ist es wahr, daß durch das jämmerliche Ende der letzten volksbeglückenden Revolu- tion Viele ernüchtert und Vieler Augen aufgethan sind. Allein die Führer der ganzen Bewegung suchen seit der Zeit nur desto tiefer zu graben, um die Grundlagen von Staat und Kirche künftig desto erfolg- reicher zu erschüttern. §. 12. Die Kampfe der Gegenwart. Ruhe und Friede ist nach den unruhigen Jahren 1848 und 1849 nie ganz wiedergekehrt und ist auch nicht zu erwarten. Dieselben Gegensätze, welche damals die Kämpfe herbeisührten, bleiben auch jetzt noch dieselben und es sind noch neue hinzugekommen. Vor allen Din- gen handelt es sich um die Frage, ob von oben oder von unten die Staatsgewalt und alle Obrigkeit stammt. Gottes klares Wort sagt: die Obrigkeit ist von Gort. Die Liberalen aber mit den Franzosen an der Spitze sagen: die Obrigkeit ist vom Volk; das Volk kann sich seine Obrigkeit zurecht machen, wie es will, Könige absetzen und ein- setzen, Republiken gründen und Kaiserkronen verschenken, wie es ihm beliebt, und Niemand hat das Recht, ihm darein zu reden. In Frank- reich verficht diese Lehre mit Wort und That der Neffe des ersten Napoleon, der nach dem Tode von Napoleon's einzigem Sohne sich als den rechtmäßigen Erben der napoleonischen Ansprüche auf den fran- zösischen Thron betrachtete und schon während der Regierung Louis Philipp's etliche Versuche machte, das französische Militär und Volk zur Empörung zu reizen. Nach der Revolution in Paris 1848 ge- lang es ihm, durch eine Volksabstimmung zum Präsidenten der Repu- blik auf 4 Jahre gewählt zu werden. Er machte sich aber bald (2. December 1851) durch einen sogenannten Staatsstreich zum un- umschränkten Herrn des Landes, und ließ sich nachträglich durch neue Volksabstimmungen erst zum Präsidenten auf zehn Jahre, dann zum erblichen Kaiser der Franzosen ernennen (2. December 1852) und be- hauptet seitdem wie sein Onkel, auf das Entschiedenste die Grundsätze der Volkssouveränetät mit den Worten, aber einen eisernen Despo- tismus in der That. Die übrigen Fürsten Europa's fühlten sich nicht berufen, das Geschehene zu ändern, und erkannten den neuen französischen Kaiser an.. Doch ließ ihn der Kaiser Nicolaus von

7. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 563

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 2. Die Revolutionen in England und der Deismus. 863 päpstliche Einfluß. Dazu kam dann der voreilige und unbesonnene Eifer des Erzbischofs Laud, der durch die Einführung der bischöflichen Kirchenverfassung und Gottesdienstordnung ganz Schottland in Aufruhr brachte und in England alle puritanischen und presbyterianischen Refor- mirten zur äußersten Widersetzlichkeit aufftachelte und sich die Schaar der Independenten und Levellers groß zog, die von der Verwerfung alles kirchlichen Regiments bald bis zur Verwerfung alles König- thums fortschritt und völlig in die Bahn der ehemaligen Münzer- schen und wiedertäuferischen Fanatiker in Deutschland einlenkte. Wäh- rend aber der König Karl I. ein durchaus haltungsloser, unzuverlässi- ger und schwankender Mann war, der Niemand Vertrauen einflößte und durch seine Eingriffe in die verfassungsmäßigen Rechte der Na- tion eine allgemeine Mißstimmung gegen sich und die königliche Re- gierung überhaupt erregt hatte, stellte sich an die Spitze der religiö- sen Eiferer Cromwell, ein Mann von außerordentlichem Talent, von eiserner Festigkeit und glühendem Eifer. Was Wunder, daß ihm der Sieg zufiel? Schon war es zum Bürgerkrieg gekommen. Dem königlichen Heere stand ein Parlamentsheer gegenüber. Diesem Par- lamentsheer aber wußte Cromwell seine puritanische Begeisterung einzuhauchen; eine streng sittliche Mannszucht, Psalmensingen, Gebet, biblische Vorlesungen fand man in jedem Zelt; alle Gemüther waren durchdrungen von der Nothwendigkeit, den bisherigen Unruhen und Verwirrungen durch Aufrichtung eines wahrhaft christlichen (pu- ritanischen) Staatswesens ein Ende zu machen. Um einen solchen Gottesstaat aber aufrichten zu können, schien es unvermeidlich, das Kö- nigthum abzuschaffen. So däuchte am Ende die Hinrichtung des Kö- nigs der immer mehr sich erhitzenden puritanischen Partei eine reli- giöse Pflicht. Am 30. Januar 1649 fiel Karl's Haupt auf dem Schaffet. Cromwell, obgleich er anfangs den Königsmord nicht hatte zugeben wollen, war doch durch seine inneren Gesichte und Ein- gebungen, denen er mehr traute als Gottes Wort, und durch seine alttestamentlich theokratischen Erwartungen und Pläne zuletzt zur Zu- stimmung bewogen. Jetzt stand er an der Spitze einer puritanischen Republik. Und wie verwirklichte er nun seinen erträumten theokrati- schen Staat eines heiligen Gottesvolks? Er vernichtete die katholische Macht in Irland, er zersprengte das Heer der Königsfreunde (Roya- listen) und das Parlament, welches ihm die Alleinherrschaft streitig machte, und ließ sich durch ein neuberufenes, aus gottesfürchtigen aber beschränkten Puritanern zusammengesetztes Parlament die königliche Gewalt unter dem Titel eines Protectorö übertragen. Allein das

8. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 592

1859 - Lübeck : Rohden
592 Xxv. §. 7. Die französische Revolution. lichkeit dieser Elenden sah, ließ sie ans feiger Schwachheit ruhig ge- währen. Sie verlangten einmal, zweimal Notabelnversammlungen, Ludwig berief einmal und zweimal Notabeln — ohne Gewinn. Sie verlangten die Aufhebung des Parlaments, er hob die Parlamente auf; sie wünschten ihre Wiederherstellung, er stellte sie wieder her. Sie glaubten, daß Reichsftände berufen werden müßten, er rief die Reichsstände zusammen — ein getreues Echo, aber kein König. Und als nun 1789 die Reichsstände beisammen waren, die Minister keinen Rath mehr wußten, dagegen die kecken Stimmführer aus den Stän- den heraus anfingen, zu gebieten, da gehorchte der König, wieder nicht minder furchtsam, dem herrischen Ansinnen jener trotzigen Män- ner, vor allen Dingen dem reichbegabten, aber sittlich schon tief herab- gewürdigten Mirabeau. Der König will eine getrennte Bera- thung der drei Stände, Mirabeau will ein Aufgehen des Adels und der Geistlichkeit im dritten Stand, eine ungetheilte National- versammlung, und der König giebt nach. Der König will seine Minister entlassen und neue berufen, die Führer der Nationalversamm- lung verlangen die Beibehaltung des eitlen und rathlosen Ne cker, und der König giebt wieder nach. Die tausend Strudelköpfe, die in der Nationalversammlung saßen, waren Herren von ganz Frankreich und beschlossen und rissen nieder und setzten fest, was ihnen heute oder über Nacht eben in den Sinn kam. Ohne Weiteres schafften sie alle Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit ab, alle Privilegien der Provinzen, der Städte, der Zünfte und Corporationen, rissen tausend- jährige geheiligte Bande auseinander, raubten willkürlich fremdes Eigenthum, und — der König bestätigte, genehmigte Alles und Alles, bis Nichts mehr zu bestätigen und genehmigen war. Auch sein eig- nes Erniedrigungsurtheil, den Beschluß, daß des Königs Widerspruch die Beschlüsse der Nationalversammlung nur aufschieben, nicht verhin- dern solle, hat der unglückliche Monarch unterzeichnet, und eine soge- nannte Constitution, welche das Volk mit seinen Wahlmännern und Erwählten zum Herrn, ihn aber zum Diener machte, hat er mit ausgebreiteten Händen „am Altäre des Vaterlandes" beschworen. Und doch hatte er längst erfahren, was es heiße, das Volk, die Masse, den Pöbel ztim Herrn haben. Auch die Nationalversammlung hatte es erfahren. Berathungen, Erfahrungen, Gründe, Thatsachen — das alles hatte längst keine Geltung mehr; nichts als die rohe Gewalt des von rasenden Führern geleiteten Pöbels'. Was der Pöbel, na- mentlich der Pariser Pöbel verlangte, das mußte die Nationalver- sammlung beschließen; was der Pöbel that, die scheußlichsten Gemein

9. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 593

1859 - Lübeck : Rohden
Xxv. §. 7. Dir französische Revolution. 893 heiten und Verbrechen, das mußte der König gutheißen. Die Pa- riser Citadelle, die Bastille, ward unter greulichen Abschlachtungen vom Pöbel zerstört, und der König — billigte das. Die königlichen Trup- pen in Paris wurden vom Pöbel meuterisch überfallen, es wäre ihnen ein Leichtes gewesen, diese elenden Haufen zurückzuwerfen; aber sie durften sich nicht wehren, sie mußten sich aus der Stadt, aus der Umgegend zurückziehen, wehrlos übergab der König sich und seine Treuen den thierischen Leidenschaften der gereizten Pöbelrotten. Er „wollte nicht, daß um seinetwillen ein Tropfen Bürgerblut vergossen würde," und sah nicht ein, daß er durch seine pflichtvergessene Weichher- zigkeit ganz Frankreich in einen ungeheuren Pfuhl unschuldig vergossenen Blutes verwandelte, in dem auch er selbst mit all den Seinigen ersticken sollte. O wie haben sie gegen ihn um Rache geschrieen, alle die Seelen Derer, die um des Unverstandes und der feigen Gutherzigkeit des Königs willen unter den Mordfäusten der Pikenmänner und Kan- nibalen in Paris und ganz Frankreich einen martervollen Tod erdul- deten. Alle die getreuen Freunde des Königs, welche ohne Weiteres auf den Straßen aufgegriffen und an die Laternenpfähle aufgeknüpft wurden, alle die Köpfe der bis in den Tod getreuen Leibgardisten, die auf Piken vor dem Wagen des Königs her mit rasendem Tanz und Gebrüll von Versailles nach Paris geschleppt wurden, alle die in ihren Schlössern und Landhäusern niedergemachten Adligen, die er- schlagenen, ersäuften, niedergestoßenen, erschossenen oder erwürgten ruhigen Bürger der treuen Städte, sie klagten laut den schwachen König an, daß er seines Amtes nicht wahrgenommen, daß er das Schwert, welches Gott ihm anvertraut, zu verbrecherischen Ge- waltthaten dem Pöbel in die Hände geliefert habe. Und schon wurde das Schwert wider ihn selber gekehrt. Schon, als die tobende Rotte von Taugenichtsen und Megären mit dem Nationalgardehelden, dem schwachköpftgen und haltlosen La faye tte an der Spitze, den Monar- chen als einen Gefangenen aus seiner Residenz Versailles nach Paris holte, hatten sie das Leben der Königin und sein eignes Leben be- droht. Aus der Gefangenschaft in seinem Schlosse in Paris war dann kein Entweichen mehr. Da er es im Juni 1791 versuchte und schon fast die Grenze erreicht hatte, ward er erkannt und als ein ent- sprungener Sträfling zurückgebracht, als ein zum Tode verurtheilter Miffethäter in den Gemächern seines Schlosses bewacht. Ein Jahr später ertönte das toddrohende Wuthgebrüll des trunkenen Mörder- haufens schon in den Gängen und Sälen, in dem Cabinet des Kö- nigs selbst, schon streckten sich nach der geheiligten Person des Königs v. Rohdcr», Leitfaden. 38

10. Leitfaden der Weltgeschichte für die höheren Classen evangelischer Gymnasien und Realschulen, sowie zum Privatgebrauch für Lehrer und für Gebildete überhaupt - S. 596

1859 - Lübeck : Rohden
096 Xxv. §. 7. Die französische Revolution. ersten zu kosten. Wie sanken seine Paläste in Asche, wie wurden seine Wappen zertrümmert, seine Schätze geraubt, seine Besitzungen zerstreut — die Hälfte endete auf dem Schaffst, die andere Hälfte lebte in trauriger Verbannung in der Fremde und mußte zum Theil durch ihrer Hände Arbeit sich ein kümmerliches Auskommen suchen. Und die Geistlichkeit? Wie lange hatte die gesummte jansenistische Partei (S. 587) schon gegen das ganze katholische Kirchensystem geeifert, in die allgemeinen Forderungen nach Freiheit und Ungebundenheit eingestimmt. Sie waren die Ersten gewesen, welche in der Nationalversammlung sich mit den Abgeordneten deö Volks vereinigt hatten. Ein Bischof hatte zuerst den Vorschlag gemacht, die geistlichen Güter als Staatseigen- thum anzusehen und zu verkaufen. Da, meinten sie, hätten sie der Macht Babel's (Rom's) einen gewaltigen Schlag beigebracht. Nun erst, hieß es, werde die Geistlichkeit, ihres Vermögens beraubt, gezwun- gen sein, sich wahre Verdienste zu erwerben. Aus den Vätern, Leh- rern und Seelsorgern der Gemeinden, die bisher nur dem Papst und der Kirche verantwortlich waren, wurden jetzt wählbare und ab- setzbare Beamte der Nation, die ihren Sold aus der Staatscasse empfingen und den Staatsgewalten ihren Eid leisten mußten. Es ist wahr, eine große Zahl treuer Priester verweigerte den Eid — aber die meisten von ihnen mußten fliehen, sich verbergen oder durch die Guillo- tine sterben. Die übrigen, welche die Tollheiten der Volksbeglücker mitmachten, wurden vom Papst in den Bann gethan, von allen ernste- ren und treuen Gemüthern namentlich unter dem Landvolk verachtet und gemieden. Auch sie fanden, meist selber von peinigenden Ge- wissensbissen verzehrt, ihr Ende in dem weitgeöffneten Abgrund von Blut und Leichen, der sich nach der Hinrichtung des Königö über ganz Frankreich immer schrecklicher aufgethan, und das ganze Land und Volk dem König nachzuziehen drohte in den Fluch einer gänzlichen Vernichtung. Aber es waren den frömmeren Seelen noch größere Schrecken aufbehalten als Kerker und Guillotine. Elende Buben unter den Prie- stern, die ihre Seele um ein bischen Pöbelgunst verkauften, mit dem Erzbischof von Paris an der Spitze, erklärten Ende 1793 alle Predigt des Evangeliums, das ganze Christenthum für eine große Lüge, für einen infamen Betrug, und der Convent decretirte, das Christenthum sei abgeschafft. Bei Todesstrafe durfte kein Mensch mehr beten, singen oder Erbauungsbücher haben, die Kirchen wurden geplündert und zer- stört, die Glocken eingeschmolzen, die Altäre und heiligen Gefäße ge- schändet, die Gräber entweiht, selbst die christliche Zeitrechnung umge- stürzt und ein heidnisch-republikanischer Kalender eingeführt. O ihr armen, reinen, zarten, jungfräulichen Seelen, was mögt ihr in solcher Schreckenszeit des Antichristenthums empfunden haben, wo man in gieriger Lüsternheit euch herausriß aus dem Schooß eures stillen Fa- milienkreises, um euch schamlos entblößt im altheidnischen Götterkoftüm als Vernunftgöttinnen unter der zuchtlosen Pöbelrotte auf einer Bahre sitzend einherzutragen, halbnackte, unfläthige Männer und Weiber mit greulichen Schandgesängen vor euch hertanzend, und die Feste der Ver- nunft mit viehischer Trunkenheit und Unzucht feiernd. Ach wie viel
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